Arbeit, Hochsensibilität

Selbstständig machen oder angestellt sein? Was ist besser?

Wie war das bei mir? – Mein Weg in die Selbstständigkeit

Ich hatte schon lange den Wunsch mich selbstständig zu machen und habe mich lange nicht richtig getraut. Schon früh (in meiner Schulzeit) habe ich nebenberuflich verschiedene Dinge ausprobiert, damals z.B. kleine Aufträge im Bereich “Promotion”, Testkäufe, Unterstützung auf Messeständen und vieles mehr.

Als ich als Projektmanagerin in einem Bildungsprojekt in Kiel gearbeitet habe, habe ich nebenbei meine Coaching-Ausbildung gemacht und mich dann im Juni 2019 “so richtig” selbstständig gemacht. Das heißt meine (diese) Website – damals noch Webseiten – sind online gegangen und ich habe eine Designerin bezahlt, die mir ein Logo erstellt hat und habe mit jemandem ein paar Fotos gemacht, erste Webseitentexte geschrieben und meinen ersten Blogbeitrag erstellt.

So sahen die ersten Fotos für meine Website aus.

Warum Webseiten? Ich hatte damals nicht nur diese Website, sondern auch noch jacquelineknopp.com und dachte ursprünglich, dass ich den ganzen Content “einfach” auf Deutsch und auf Englisch erstellen kann und dann verschiedene Zielgruppen habe. Pustekuchen.

Heute kann ich über diese Idee nur lachen, denn das ist als One-Women-Business total absurd vom Workload her. Allein eine Webseite zu erstellen, regelmäßig zu bespielen und alles weitere zu erstellen, was bei mir dazugehört (Instagram, Facebook, Newsletter, Podcast etc.) ist auf einer Sprache mehr als genug Arbeit.

Die Zielgruppe, die du hast, findet sich auch mit der Zeit mehr und mehr bzw. du musst deine Kund*innen erstmal kennenlernen und falls du das auf zwei verschiedenen Märkten und in zwei Sprachen gleichzeitig machst, ist das einfach nur eine Überforderung, wie ich heute weiß.

Für die Zielgruppe lohnt es sich, so etwas wie eine Business Model Canvas auszufüllen, denn dort sind die wichtigsten Fragen notiert, die du beantworten solltest, wie “Wo triffst du deine Kund*innen? Wie werden sie auf dich aufmerksam?” etc.

Herausforderungen oder Nachteile der Selbstständigkeit

Da ich mich in Neuseeland quasi ortsunabhängig selbstständig gemacht habe, hatte ich ein paar besondere Herausforderungen:

  • Selbstständig machen + Reisen gleichzeitig = zu viel
  • Strom & Internet oft ein Problem/ nicht verfügbar
  • Zeitverschiebung schwierig für Zusammenarbeit
  • habe mich weit entfernt gefühlt von Deutschland (und war es ja auch)
Was habe ich nach der Rückkehr nach Deutschland so freiberuflich gemacht?

Seit Anfang Mai 2020 bin ich zurück in Deutschland und seitdem sind mir noch ein paar allgemeinere Herausforderungen der Selbstständigkeit aufgefallen:

  • Ich “muss” verkaufen und musste auch lernen online zu verkaufen (launchen)
  • Preise verhandeln, Glaubenssätze über Geld -> manche Aufträge sind sehr schlecht bezahlt (Vor- & Nachbereitungszeit, Versicherung, Altersvorsorge, Ausfall bei Krankheit, Urlaub)
  • Fortlaufend Content kreieren & sichtbar sein
  • Dran bleiben & weitermachen (Mindset)
  • One Woman Business: Viele Aufgaben, für die ich zum Teil keine Zeit habe
  • Unsicherheit z.B. über Einkommen & Altersvorsorge

Besonders interessant fand ich, dass die Früchte, die man mit seiner Arbeit erntet, manchmal erst zeitversetzt eintreffen, d.h. dass man einen langen Atem braucht und sich Kund*innen z.B. manchmal erst 1,5 Jahre nachdem sie auf einen aufmerksam geworden sind für ein Produkt oder eine Dienstleitung entscheiden.

Das gleiche ist bei großen oder langfristigen Projekten der Fall wie zum Beispiel meinem Buch “Ich kann viel und das ist gut so!” und dem aktuellen Buch, das ich für hochsensible Multitalente schreibe bzw. übersetze, denn aktuell stecke ich in das Projekt viel Zeit hinein und werde (hoffentlich) verzögert erst Einnahmen damit generieren und insgesamt davon profitieren können.

Ein weiterer Aspekt, den ich eher nachteilig finde, ist, dass es keinen festgesetzten Tarif für bestimmte Leistungen gibt und ich jedes Mal verhandeln muss. Wichtig ist dabei zu wissen, wie man einen Stundensatz berechnet, von dem man auch tatsächlich leben kann.

Einen realistischen Stundensatz berechnen, von dem du leben kannst

Dabei sollte man darauf achten, dass man nicht an allen Tagen produktiv ist, da es viele Wochenend- und Feiertage gibt, die man abziehen muss. Außerdem sollte man z.B. an Geld während der Urlaubszeit, Krankheit und für die Altersvorsorge denken und natürlich für Steuern. Hier findest du einen Rechner, in den du alle Beträge eingeben kannst, sodass du einen realistischen Studenlohn erhältst und weißt, was du mindestens nehmen solltest, um zu überleben.

Ich hab das Gefühl, dass viele Menschen diesen Aspekt vergessen und daher einen Studensatz, den man in der Selbstständigkeit bekommt, mit einem Satz pro Stunde, den man angestellt bekommt, vergleichen. Das macht allerdings gar keinen Sinn.

Man muss sich in der Selbstständigkeit auch immer fragen, wie viel Arbeit, die Akquise gekostet hat, also wie viele Stunden man gearbeitet hat, um überhaupt eine Stunde auf eine Rechnung schreiben zu können, und wie viele zusätzliche Stunden die Arbeit erfordert z.B. an Organisation mit einem/einer Steuerberaterin, Verträgen gegenlesen und bekommen/zurückschicken, Rechnungen schreiben und Akquisegesprächen führen.

Selbstständigkeit: Vorstellung vs. Realität

Als digitale Nomadin leicht und mühelos durch die Welt reisen und gleichzeitig online Geld verdienen ist glaube ich der Traum von vielen.

Was sind Aspekte, die ich mir vorgestellt habe? Und wie empfinde ich es jetzt wirklich?

  • Online = keine Kosten (nicht wahr)
  • unterwegs arbeiten = praktisch (ich finde es eher anstrengend und hab gerne meinen festen Schreibtisch mit Internet)
  • “Ich stelle meine Website online und dann bekomme ich Anfragen” -> Sichtbarkeit/ gefunden werden ist viel Arbeit
  • Ich arbeite effektiv und kann alle Aufgaben (alleine) schaffen -> unrealistisch, man schafft weniger und braucht Hilfe (die man sich einkauft)
  • Weniger arbeiten & mehr verdienen? Es kommt ganz darauf an.
  • Selbstständig = selbst und ständig?

Vorteile, wenn man selbstständig ist

Es gibt auch Vorteile an der Selbstständigkeit. Einige davon möchte ich hier aufführen:

  • Kreative Freiheit: Produkt ausdenken & verkaufen
  • Viel lernen
  • Neue Menschen & Möglichkeiten kennenlernen
  • Kein*e Chef*in “kontrolliert” mich und meine Arbeitszeit (wann, wo, wie viel)
  • Verdienst pro Monat nicht gedeckelt, wenn man skaliert
  • Selbstverantwortung
  • Persönliches Wachstum
  • Freie Zeiteinteilung: Kann mehr als 30 Tage Urlaub nehmen, Sabbatical machen etc.

Fazit: Selbstständig oder angestellt? Was ist besser?

Für mich persönlich sind die Selbstständigkeit und ein angestelltes Arbeitsverhältnis nicht gut miteinander abzuwägen, da beides seine Vor- und Nachteile hat. Es sind einfach unterschiedliche Formen der Arbeit. Eins ist nicht besser als das andere, es ist einfach anders.

Viele positive Aspekte der Selbstständigkeit wie Gestaltungsfreiraum und Kreativität ausleben, kann man auch in einem angestellten Arbeitsverhältnis finden, genauso wie persönliches Wachstum und Selbstverantwortung.

Daher kommt es für mich eher darauf an, wie ein Job oder Auftrag gestaltet ist und weniger, in welchem Format er stattfindet.

Dieser Mythos, dass bei Selbstständigen alles besser ist, weil sie so frei sind, ist einfach nicht wahr. Auch dort müssen sich Menschen nach Aufträgen und Auftraggeber*innen richten und sind somit genauso abhängig, nur auf eine andere Art und Weise.

Ich glaube, dass die Selbstständigkeit vor allem gut für Menschen funktioniert, die extrem viel Geld verdienen und daher auch gut für das Alter vorsorgen können und etwas zur Seite legen können. Bei “freiberuflichen Mitarbeiter*innen” z.B. bei Volkshochschulen ist die Lage sehr prekär und die Stundensätze sehr niedrig, sodass es eigentlich ein Minusgeschäft ist und sich nicht lohnt, dort zu arbeiten.

Meine Learnings: Das habe ich in meiner Selbstständigkeit gelernt

Ich habe in der Selbstständigkeit viel über mich und unterschiedliche Formen von Arbeit gelernt. Ein paar Learnings sind die folgenden Dinge:

  • Wie definiere ich Erfolg?
  • “wenn x, dann x”-Denken ist nicht hilfreich
  • WARUM möchte ich selbstständig sein? –> Viel Freiheit & Freiraum zu gestalten (auch als Angestellte möglich)
  • Selbstständigkeit kapitalistischer als NGO
  • nicht besser/schlechter, sondern anders

Ein großer Vorteil meiner nicht-selbstständigen Arbeit ist, dass ich nicht in der Finanzabteilung sitze und mich inhaltlich mit sinnstiftenden Aufgaben beschäftigen kann, anstatt über meinen eigenen “Wert” in Form eines Stundensatzes zu verhandeln. Das finde ich als angestellte Lehrerin zum Beispiel aktuell besonders entspannend.

Selbstständig und angestellt?

Ich habe eine Zeit lang Vollzeit selbstständig gearbeitet und aktuell (jetzt, in diesem Moment, in dem ich den Artikel schreiben), bin ich gerade sowohl selbstständig als auch angestellt.

Für mich als hochsensibles Multitalent ist mein Arbeitsleben immer im Wandel und ich arbeite mal nur selbstständig, mal mehr angestellt als selbstständig und mal andersherum, je nachdem, was gerade anliegt.

Für mich ist das aktuell die beste Lösung, da ich so ein festes Gehalt habe und Ferien, in denen ich bezahlt werde (und vorher und hinterher extra viel arbeiten zu müssen) und dennoch flexibel Aufträge annehmen kann, bei denen ich viel gestalten kann. Außerdem kann ich so jederzeit neue Projekte und Ideen umsetzen, wie zuletzt mein ganzheitliches Journal, was mir unheimlich viel Spaß macht.

Gleichzeitig bin ich finanziell meinem Gefühl nach unabhängiger, da ich aktuell weder komplett von der Selbstständigkeit abhänge und Druck habe einen Auftrag unbedingt bekommen zu müssen, noch das Gefühl habe, in einem angestellten Job gefangen zu sein, da mein ganzes Einkommen wegbrechen würde, wenn ich kündigen würde. Für mich passt das aktuell ganz gut so und ich genieße die Abwechslung.

Wie arbeitest du? Was ist dein Konstrukt? Ich freu mich von dir in den Kommentaren zu lesen!

Buchtipps zum Weiterlesen (z.B. falls du dich nebenberuflich selbstständig machen möchtest)

Abschließend noch ein paar Buchtipps zum Thema Selbstständigkeit:

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Podcastfolgen meines Podcasts “Hochsensibel & stark” zum Thema Selbstständigkeit

  • Existenzangst überwinden als Selbstständige*r (auf YouTube oder Spotify anhören)
  • Sensibel, introvertiert & Onlineunternehmerin mit Judith (auf YouTube oder Spotify anhören)
  • Selbstständig: Von politischer Bildung zum Berater mit Jonathan (auf YouTube oder Spotify anhören)
  • Erfolgreiche Selbstständigkeit als Fotografin mit Nicole (auf YouTube oder Spotify anhören)
  • Selbstständig machen in Frankreich mit Jasmin (auf YouTube oder Spotify anhören)
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